Die Regierungen von Bund und Ländern haben zahlreiche Aufträge an die Rechtsanwaltskanzlei vergeben, die tief in den größten deutschen Steuerskandal verwickelt ist. In den Jahren 2015 bis 2019 erhielt die Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer mindestens 18 Mandate von der Öffentlichen Hand. Dies geht aus einer Umfrage des Handelsblatts unter den knapp 200 Ministerien von Bund und Ländern hervor.
Freshfields steht in der Kritik, weil die Kanzlei zahlreiche Banken bei sogenannten Cum-Ex-Geschäften beriet. Mindestens zwei ehemalige und ein aktiver Partner sind in Cum-Ex-Verfahren beschuldigt. Gegen Ulf Johannemann, bis vor kurzem weltweiter Steuerchef der Kanzlei, hat die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift fertig. Im November kam er für vier Wochen in Untersuchungshaft. Er hat sich bisher nicht zu den Anschuldigungen geäußert.
Beim Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch ließen sich Beteiligte Steuern erstatten, die sie nicht gezahlt hatten. Zahlreiche Ermittlungen laufen, in Bonn begann im September ein erster Cum-Ex-Strafprozess, bei dem die Beschuldigten geständig sind. Sie nannten mehrfach Fachleute von Freshfields, ohne deren Gutachten viele Cum-Ex-Geschäfte nicht möglich gewesen seien. Unter Politikern erfreut sich die Kanzlei trotzdem eines großen Vertrauens. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte dem Handelsblatt allein drei aktuelle Mandate für Freshfields, in Bayern berät die Kanzlei das Finanzministerium in zwei Fällen. Der Hamburger Senat beantwortet die Frage nach der Zahl von Aufträgen an die Kanzlei mit „mehrere“. In Hessen setzt die Politik in vier Rechtsfragen auf Freshfields.
Die deutschen Wurzeln von Freshfields liegen in Hamburg. Beim 175-Jubiläum der Kanzlei lobte der damalige Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Sc holz (SPD) die Anwälte von Freshfields für ihren „unbestechlich gradlinigen Gang“.