Die elektronische Gesundheitskarte ist eine erweiterbare Versichertenkarte für gesetzlich Krankenversicherte. Es handelt sich um eine Chipkarte im Scheckkartenformat mit Lichtbild, durch welche die frühere Krankenversichertenkarte ersetzt wurde. Mit der elektronischen Gesundheitskarte und der dahinterstehenden Telematikinfrastruktur wird seit Anfang der 2000er Jahre das Ziel verfolgt, Akteure des Gesundheitswesens digital zu vernetzen und dadurch Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung zu verbessern.
Eine in technischen Fragen überaus kompetente Dame, nämlich unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, bezeichnete im Jahr 2005 die elektronische Gesundheitskarte als Leuchtturmprojekt, um der Welt zu beweisen, auf welchen Gebieten wir vorn seien. Inzwischen, nach nunmehr fast zwanzig Jahren der Entwicklung, steht fest, dass Deutschland auch dieses Großprojekt – wie so viele andere technischen Vorhaben – nicht in den Griff bekommen hat.
Aber ihre Fehleinschätzung sei der Bundeskanzlerin verziehen, sie scheint in anderen Zeiträumen zu denken als wir Normalmenschen. Schließlich hat sie, wir schrieben immerhin das Jahr 2013, die Öffentlichkeit mit der Aussage verblüfft, dass das Internet für uns alle Neuland sei.
Die Gesundheitskarte sowie ergänzende Anwendungen sollten eingeführt werden
Die rechtliche Grundlage für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte und der dahinterliegenden Telematikinfrastruktur schuf der Gesetzgeber im Jahr 2004. Die elektronische Gesundheitskarte sollte die Stammdaten der Versicherten in maschinell lesbarer Form enthalten. Über die Gesundheitskarte sowie damit zusammenhängende ergänzende Anwendungen sollten Untersuchungs- und Laborergebnisse von Haus- und Fachärzten auch anderen medizinischen Leistungserbringern zur Verfügung gestellt werden. Doppeluntersuchungen und unerwünschte Wechselwirkungen zwischen Medikamenten sollten vermieden werden und Behandlungsdaten im Notfall schneller verfügbar sein. Erreicht werden sollten diese Ziele durch die elektronische Verordnung, den elektronischen Arztbrief, die Arzneimitteldokumentation sowie die elektronische Patientenakte. Nur wenig davon ist bisher in die Tat umgesetzt worden.
Hohe Kosten durch eine mit der Entwicklung beauftragte GmbH
Der Gesetzgeber beauftragte die Spitzenorganisationen der Krankenkassen sowie die Spitzenorganisationen der Ärzte, Apotheker und Krankenhäuser, gemeinsam das Nähere über Inhalt und Struktur der elektronischen Gesundheitskarte sowie der ergänzenden Anwendungen zu vereinbaren sowie die erforderliche Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur zu schaffen.
Zu Beginn des Jahres 2005 wurde zu diesem Zweck eine GmbH gegründet, deren Gesellschafter die genannten Spitzenorganisationen sind. Die GmbH verfügt über rund 300 Beschäftigte. Die durch die GmbH seit ihrer Gründung verursachten Kosten belaufen sich auf über 600 Millionen Euro, die von den Krankenkassen bzw. letztlich den Versicherten getragen wurden.
Blockadesituationen in den Entscheidungsgremien
Die Projektentwicklung durch die GmbH verlief außerordentlich zäh. Dies ging darauf zurück, dass Entscheidungen in den Gremien der GmbH oftmals nicht oder nur zögerlich getroffen wurden, da die Interessenlage der Krankenkassen auf der einen Seite und der ärztlichen Leistungserbringer auf der anderen Seite zu unterschiedlich waren.
Operative Fragen der GmbH wurden oftmals von den Gesellschaftern im Lenkungsausschuss oder in der Gesellschafterversammlung entschieden, wobei es häufig zu Blockadesituationen kam. Immer wieder waren Schlichtungsverfahren notwendig, weil sich die Gesellschafter nicht einigen konnten. Wiederholt mussten der Gesetzgeber oder das zuständige Gesundheitsministerium des Bundes eingreifen, um die Dinge voranzubringen.
Kein Mehrwert für die Nutzer durch die elektronische Gesundheitskarte
Unter dem Druck des Gesetzgebers begannen die Krankenkassen im Jahr 2011 schließlich, flächendeckend die elektronische Gesundheitskarte an ihre Versicherten auszugeben. Die zusätzlichen Anwendungen stehen allerdings nach wie vor nicht zur Verfügung. Seit 2015 sind alle Versicherten im Besitz einer elektronischen Gesundheitskarte. Sie ist im Wesentlichen nur für das Stammdatenmanagement der Versicherten nutzbar, leistet also kaum mehr als die frühere Krankenversichertenkarte, die schon 1995 eingeführt worden war. Nach Meinung von Experten hat die elektronische Gesundheitskarte bislang keinen konkreten Mehrwert für Leistungserbringer und Versicherte gebracht, da die ergänzenden Anwendungen noch nicht vorhanden sind.
Das Gesundheitsministerium muss die Digitalisierung zukünftig selbst vorantreiben
Fachleute sind sich darin einig, dass die Entwicklung und Einführung der elektronischen Gesundheitskarte den Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens nicht hätte übertragen werden dürfen. Die unterschiedlichen und zum Teil gegensätzlichen Interessen der Spitzenorganisationen haben zu großen Verzögerungen geführt und sind letztlich dafür verantwortlich, dass die ergänzenden Anwendungen immer noch nicht fertiggestellt worden sind. Zukünftig müssen richtungsweisende Entscheidungen vom Bundesministerium für Gesundheit getroffen werden. Nur so, liebe Leserinnen und Leser, kann die Digitalisierung im Gesundheitswesen zukünftig vorangetrieben werden, sagt mit Nachdruck
Autor: Gotthilf Steuerzahler
Dieser Text stammt aus dem kostenlosen Newsletter Claus Vogt Marktkommentar.